Die Aeneis
Vergil
Dann auch den Wein, den in Krügen gefüllt der gute Akestes
Am trinakrischen Strande, der Held, den Scheidenden schenkte,
Ihn auch teilt er und sänftigt so die bekümmerten Herzen:
"Teure Gefährten - wir sind ja nicht unkundig im Leiden –
Ihr, die ihr Schlimmres erlebt, ein Gott wird dieses auch enden.
Ihr seid Skyllas Wut und den lärmdurchschütterten Riffen
Nahe gekommen, ihr habt die kyklopische Felsenbehausung
Kennen gelernt. Fasst wiederum Mut, lasst ab von der trüben
Furcht. Vielleicht wird einst die Erinnrung daran euch ergötzen.
Durch manch Wechselgeschick, durch bedrängter Entscheidungen viele
Ziehen nach Latium wir, wo das Schicksal ruhige Sitze
Sicher verheißt. Dort darf von neuem sich Troia erheben.
Macht euch hart und erhaltet euch selbst für bessere Zeiten!"
Also lautet sein Wort, und siech von unsäglichem Kummer
Zeigt er Hoffnung im Blick; tief birgt er den Schmerz in dem Busen.
Etwas Größres jedoch - und um vieles entsetzlicher - zeigt jetzt
Uns Unglücklichen sich und verwirrt die erschrockenen Herzen.
Priester Neptuns durch das Los, ist eben Laokoon tätig,
Einen gewaltigen Stier am Festaltare zu schlachten.
Siehe, da wälzt von Tenedos sich durch die ruhige Tiefe
- Schaudernd erzähl ich's - ein Paar von Schlangen in furchtbaren Kreisen,
Über der Meerflut Rücken vereint hersteuernd zur Küste.
Hoch durch die Brandung erhebt sich die Brust, und die blutigen Mähnen
Ragen empor aus den Wogen, dahinter dann schleppt sich der andre
Teil durch das Meer, unermesslich den Leib in Windungen schlingend.
Rauschen ertönt aus der schäumenden Flut; schon sind sie am Lande,
Und mit brennenden Augen, von Blut und Feuer durchschossen,
Recken aus zischendem Schlund sie die leckenden, zitternden Zungen.
Bleich bei der Schau zerstäuben wir rings. Sie, sicheren Schwunges,
Greifen Laokoon an; und die schmächtigen Leiber der beiden
Söhnlein umringelt zuerst das Gewürm mit verschlungenem Knoten,
Und mit grimmigem Biss zernagt es die Glieder der Armen.
Drauf, da er selbst zum Beistand eilt mit erhobener Waffe,
Fassen sie ihn und schnüren ihn ein mit furchtbaren Schlingen.
Zweimal umwickeln den Leib, zweimal umringeln den Hals sie
Ihm mit dem Schuppengewind, und es bäumt sich ihr Nacken und Haupt hoch.
Jener bemüht sich der Knoten Gewirr mit den Händen zu trennen;
Geifer und schwärzliches Gift umströmt ihm die heiligen Binden;
Grässlich ertönt sein Jammergeschrei empor zu den Sternen,
Gleich dem Gebrülle des Stiers, wenn verwundet er von dem Altar flieht
Und von dem Nacken das Beil, das schwankend geführte, sich schüttelt.
Aber das Zwillingsgewürm schlüpft flüchtig hinauf zu des Tempels
Höhn, zu der grimmen Tritonia Burg, wo unter der Göttin
Füßen es still sich verbirgt und unter dem Rande des Schildes.
Jeglicher Busen erbebt; es durchdringt ein nimmer gekannter
Schrecken das Volk. Man sagt, Laokoon habe den Frevel,
Wie er verdienet, gebüßt, da das heilige Holz mit dem Spieß er
Schädigte, da er den Leib mit frevelnder Lanze durchbohrte.
Laut heischt alles, das Bild zum Sitze der Göttin zu führen
Und sie um Gnade zu flehn.
Außer sich hört es die Schwester; erschreckt, in hastigem Laufe,
Stürzt, das Gesicht zerfleischend, die Brust mit den Fäusten zerschlagend,
Durch das Gedränge sie hin und ruft der Verscheidenden Namen:
"War das, Schwester, dein Plan? Mich also wolltest du täuschen?
Dies hat der Holzstoß mir, die Altär' und das Feuer bedeutet?
Oh, was klag ich, Verlassne, zuerst? Als Todesgefährtin
Hast du die Schwester verschmäht? O hätt'st du mich zu dir gerufen!
Wären wir beide vereint von einerlei Wunde gefallen!
Selbst mit den Händen noch häuft ich den Bau, rief selbst zu der Heimat
Göttern, damit nun so, Grausame, du ohne mich lägest!
Schwester, dich selbst und mich und das Volk und die tyrischen Väter
Tötetest du und die eigene Stadt. Gebt Wasser, die Wunden
Abzuwaschen! Umschwebt sie ein irrender Hauch noch im Scheiden,
Küss ich ihn fort." So redend, erklomm sie die ragenden Stufen.
Sanft am Busen umhegt sie die kaum noch atmende Schwester
Seufzend und trocknet mit ihrem Gewand ihr das starrende Blut ab.
Jene bemüht sich den sinkenden Blick zu erheben; doch schwindet
Wieder die Kraft; es zischt in der Brust ihr die klaffende Wunde.
Dreimal richtet sie sich empor und stützt auf den Arm sich;
Dreimal stürzt sie zurück auf den Pfühl; mit irrenden Augen
Sucht sie am Himmel nach Licht und seufzt, da den Schimmer sie wahrnimmt.
Und die allmächtige Iuno, gerührt durch die Qualen des Todes
Und durch den dauernden Schmerz, schickt Iris jetzt vom Olympos,
Dass sie den ringenden Geist und der Glieder Verbindung ihr löse.
Denn da nicht durch Geschick sie den Tod litt noch durch Verschuldung,
Sondern durch plötzliche Wut vor der Zeit elendiglich umkam,
Hatte Proserpina ihr noch nicht vom Scheitel die blonde
Locke geraubt und ihr Haupt zum stygischen Orkus verurteilt.
Drum vom Himmel herab auf safranfarbigen Flügeln
Schwang, von der Sonne bestrahlt, sich die tauige Iris in tausend
Schillernder Farben Geleit und stand ihr zu Häupten: "Die Locke
Bring auf Befehl ich als Opfer dem Dis, dich lös ich vom Körper."
Sprach's und schor mit der Rechten das Haar. Da schwand ihr die Wärme
Gänzlich sogleich, und das Leben entwich und zerstob in die Lüfte.